Samstag, 28. Mai 2016

»Milchschwemme« — Quo vadis homo oeconomicus?

Derzeit beklagt die moderne Agrarwirtschaft wieder einmal eine »Milchschwemme«. Im Grunde genommen müssten sich allein schon wegen dieser Wortschöpfung unsere Nackenhaare sträuben. Allerdings ist alles noch viel schlimmer!

Heutzutage gilt es als wirtschaftlich sinnvoll, der Kuh ihr Kälbchen spätestens am dritten Tag wegzunehmen. Dieses Geschöpf wird alsdann mit industriellem Kraftfutter und gehörig Antibiotika zur Schlachtreife gemästet. Industriell natürlich. Das heisst: In einem kleinstmöglichen Geviert auf Betonboden stehend oder liegend, zusammengepfercht mit einem oder zwei anderen Leidensgenossen. Meist steht da auch noch eine kleine Kunststoffbox. Das alles angeblich deshalb, weil nur so die von den Konsumentinnen und Konsumenten gewünschte Kalbfleisch-»Qualität« erreicht werden könne....
Oder vielleicht auch, weil marktbewusste Konsumentinnen und Konsumenten lieber dem Motto »Geiz ist geil!« nachleben, statt einen angemessenen Preis zu bezahlen für verantwortungsbewusst hergestellte Nahrungsmittel?

Spätestens am dritten Tag nach dem Kalbern wir der Kuh die Milch für industrielle Zwecke abgeschöpft. Damit die Kuh dabei nicht kollabiert, muss auch sie oft industriell und/oder pharmazeutisch zugefüttert werden. Während in meiner Jugendzeit eine als wertvoll geschätzte Milchkuh gesund, behornt, mit kräftigen Beinen sich gerne und viel bewegte, gilt heute ein anderes »Qualitäts«-Merkmal: Ein übergrosses Euter. Wir können beobachten, wie mancherorts Kühe kaum gehen können, weil sie ihre überdimensionierten Euter auf dem Boden mitschleifen müssen.

Statt die Kälber bei ihren Müttern zu belassen bis sie natürlich abgestillt sind, greift die industrielle Landwirtschaft allerspätestens am dritten Tag in den Prozess ein, um angeblich den Ertrag zu erhöhen - und wundert sich heute über das erzielte Ergebnis: Eine »Milchschwemme«...!

Wie reagieren die marktwirtschaftlichen Industriebauern darauf? Sie verlangen mehr Subventionen.
Der Staat bzw. der Steuerzahler soll es gefälligst richten. Wir sollen diese rundum abstruse Misswirtschaft stützen; womöglich mithelfen, dass die unter widerlichen Umständen zuviel abgeschöpfte Milch am Ende vernichtet wird.
Das nennen wir obendrein noch »Markt-Wirtschaft«. — Also: »Der Markt« reguliert sich selber ständig durch Nachfrage und Angebot....

Die einfachste Regulierung steht nicht mehr zur Auswahl: Die Kälber wieder solange bei ihren Müttern aufwachsen zu lassen, bis sie natürlich abgestillt sind. Zu mächtig sind wohl auch die dahinterstehenden Konzerne geworden (inkl. die mitverdienende Pharmaindustrie).
Gesunder Menschenverstand? (Neue) betriebswirtschaftliche Ideen? Weit gefehlt!
Gier statt Betriebswirtschaft!
Gier statt Verantwortung — leider auch das Kennzeichen angeblich marktbewusster Konsumentinnen und Konsumenten!

Mir scheint, nirgendwo wird uns der Spiegel unserer ausbeuterischen »New Economy« deutlicher vor Augen geführt als hier, in der Milch- und Fleischproduktion.

Wann endlich erwacht jenes Bewusstsein in uns, das uns zu Menschen macht bzw. machen sollte?




Montag, 2. Mai 2016

Situationskomik auf dem Hundespaziergang

Sofie, meine franz. Bulldogge, hat vor vierzehn Tagen einen Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule erlitten. Für gut sechs Wochen gilt deshalb Leinenpflicht und Spielverbot mit anderen Hunden. Nicht einfach, für einen jungen, spielfreudigen Bully.

Um die Tortur in Grenzen zu halten, suche ich oft wenig begangene Waldwege aus. So auch heute Nachmittag, einem angenehmen Frühlingstag mit Sonne. Sofie hat die 6m Freiheit an der Schleppleine sehr genossen, wie ich das unbeschwerte Nebenhergehen. An einer Wegbiegung treffen wir auf einen Welpen ohne Leine und Halsband, der auf Entdeckungstour ist. Sofort kommt er auf uns zugerannt und fordert Sofie zum Spielen auf. Sofie steht ruhig quer, was der Welpe nicht versteht. Weiter hinten, auf einer Bank, sehe ich einen nicht mehr ganz jungen Mann selbstvergessen die Aussicht geniessen. Sofie bekommt die Anweisung "siilah und warte", während der Welpe seinen Tanz um uns fortsetzt. Der Mann juckt auf, mit ihm ein ausgewachsener, ebenfalls unangeleinter Riesenschnauzer und das Cabaret bekommt eine neue, intensivere Runde. Solchermassen von zwei Hunden bedrängt, mag Sofie nicht mehr stillhalten und trägt, an kurzer Leine gehalten, das Ihre zum Gaudi bei.

Was jetzt folgt, ist Situationskomik pur. Leider stellt sie dem beteiligten Hundehalter kein gutes Zeugnis aus:

Ich: "Bitte nehmen Sie Ihre Hunde zurück."
Er (steht der Situation hilflos gegenüber und weiss nicht, wie er das mit seinen zwei unangeleinten Hunden hinkriegen soll): "Kein Problem! Es passiert ganz sicher nichts, sind beide gaaanz lieb."
Ich: "Bitte nehmen Sie Ihre Hunde zurück. Mein Hund hat eine Rücken....."
Er: "Das macht nichts, kein Problem."
Ich: "Doch, das macht! Mein Hund darf nicht spielen!"
Er: "Das macht nichts. Kein Problem. Der Kleine ist doch noch ein Welpe, 7 Monate alt, der macht bestimmt nichts und der grosse ist ein gaaanz lieber."
Ich: "Darum geht es nicht. Bitte, nehmen Sie Ihre Hunde zurück. Mein Hund darf nicht spielen. Er hat eine Rückenverletzung!"
Er (weiss immer noch nicht, wie er es bewerkstelligen soll): "Es passiert ganz sicher nichts... kein Problem!"
Ich: "Nehmen Sie jetzt bitte sofort Ihre Hunde zurück! Mein Hund hat einen Bandscheibenvorfall. Er darf nicht spielen!"
Er: "Ah... oh... ja dann.... aber sie machen wirklich nichts."

Die Hunde vollführen während der ganzen Auseinandersetzung ihren Tanz um und mit Sofie (angeleint), der es jedoch nicht so wohl ist, was sie mit einem feinen Haarstrich am Hals und über der Lende anzeigt. Keiner der Hunde achtet auf diese Zeichen, der Hundehalter sowieso nicht.

Ich: "Nehmen Sie Ihre Hunde jetzt sofort zurück, damit ich weitergehen kann!"
Er: "Aha. Ja gut. Moment."

Schliesslich kriegt der Mann seinen Riesenschnauzer zu fassen. Er nimmt ihn an eine Rollleine.

Während Sofie und ich weitergehen, hüpft der kleine Feger (Kleinhund einer nicht alltäglichen Rasse, deren Name ich vergessen habe) wie ein Gummiball herum, und macht alle Anstalten, mit uns weiterzugehen.

Er (ruft einen Namen): ".... komm.... komm brav.... Name, komm, komm....fifififiiiii...."
Dann: "Kein Problem, der Grosse bleibt." Er befiehlt seinem Schnauzer: "Sitz! Platz! ... Nein, Sitz jetzt! Platz...." 
Jedesmal, wenn der Mann einen Schritt weggeht, folgt der Hund getreulich hinterher....
So geht es eine ganze Weile, bis der Schnauzer liegen bleibt. Derweilen tanzt der Junghund noch immer um uns herum. Zu guter Letzt dreht auch noch der Hundehalter um das Ganze seine Runden.... Situationskomik pur!
Schliesslich kann er seinen Welpen doch ergattern, nicht ohne wiederholt zu versichern, dass das alles kein Problem sei.

Bei Sofie löst sich die Spannung erst einige hundert Meter weiter. Am liebsten hätte sie sich mit Rennen abreagiert. Auch ihr Paradestück, die Seitwärtsrolle im hohen Gras, hätte sie liebend gerne mehrfach hintereinander aufgeführt. Zu ihrem Schutz vor Rückfall muss ich da leider hart bleiben, was mir alles andere als leicht fällt, weil ich ihre Reaktion nur zu gut verstehen und nachfühlen kann.

Ein Hundehalter, der jetzt, in der Setzzeit der Rehe, seine unerzogenen Hunde am Waldrand frei herumstreunen lässt, handelt verantwortungslos.

Genau solche überforderte Hundehalter tragen nicht nur wesentlich zu den Hundegegnern bei, sondern auch dazu, dass die Vorschriften, denen wir uns alle unterziehen müssen, immer strenger und enger werden.